Kolumne – Kinder fragen

Bibelerzählen, BEA, Heiligenschein, Simone Merkel, Grönland, Tasiilaq
Foto: Mario Merkel, Grönland

Warum hat Jesus bei den Bildern so einen Kreis auf dem Kopf?

Das neue Jahr fängt gut an, findet Mia. Ihr Kindergarten ist noch geschlossen. Eliot muss nicht in die Schule. Papa hat freie Tage. Es ist Wunschzeit. Mia wünscht sich Geschichten, Eliot Spiele. Papa wünscht sich Orgelmusik. Am Abend fahren sie zur großen Kirche am Markt.

Kerzenlicht erfüllt den hohen Kirchraum. Überall sind Bilder, vielfarbig und golden.
Mia staunt und schaut.
Schließlich zupft sie an Papas Arm: „Und warum haben die so einen Kreis auf dem Kopf?“
Noch ehe Papa antworten kann, gibt Eliot stolz sein Wissen preis. „Das ist ein Nimbus.“
„Nimbus, Nim – bus“, murmelt Mia immer wieder. „Bus. Ein Bus?“
Eliot schlägt sich mit der Hand vor die Stirn. „Du hast ja gar keine Ahnung. Das ist kein Bus. Das ist ein Heiligenschein.“

Papa nimmt Mia auf den Arm.
„Früher haben die Maler ganze Geschichten an die Wände gemalt. Manche erzählen von Noah oder von Mose. Andere erzählen von Jesus und seinen Freunden. Die Maler wollten, dass die Betrachter Jesus auf jedem Bild erkennen. Alle sollen sehen, Jesus ist erleuchtet. Von anderen Personen soll er zu unterscheiden sein. Jeder soll sehen: Das ist Jesus: Er ist Mensch und auch Gott. Schwer zu verstehen ist das. Wie eine geheimnisvolle Wolke haben die Künstler den Schein um den Kopf gemalt. Gold ist die richtige Farbe dafür, die göttliche Farbe. Zuerst malten sie nur Jesus diese Wolke, später auch der Mutter Maria und anderen. Und Eliot hat recht. Man nennt diese Wolke Nimbus.“
Mia flüstert noch einmal das Wort und sagt zufrieden: „Wie eine Wolke, das passt.“

„Wolke, Regenwolke“, scherzt Eliot und bläst wie ein Sturmwind.
„Es stimmt. Nimbus ist auch ein Wort für Regenwolken“, bestätigt Papa.
Dann fällt Eliot noch ein: „Harry Potter hat auch einen Nimbus.“
„Ist Harry denn auch ein Heiliger?“, fragt Papa verwundert.
„Du hast ja gar keine Ahnung“, winkt Eliot ab, „Harrys alter Zauberbesen heißt doch Nimbus 2000!“

Inzwischen hat Mia einen Platz gefunden, auch Eliot und Papa setzen sich. Sie lauschen der Musik. Das neue Jahr fängt gut an, findet Papa.

Erschienen:
Simone Merkel, Kolumne „Kinder fragen“,  Evangelische Wochenzeitung, Die Kirche 1/2019